Suzanne Hüttenmoser Roth, Fachpsychologin für Psychotherapie FSP

Resilienz in der Partnerschaft

Resilienz ist ein Begriff, der in den letzten Jahren immer wieder auftaucht im Zusammenhang mit Stressbewältigung: "Resilienz als Geheimnis innerer Stärke!". Was genau ist mit Resilienz gemeint? Resilienz bedeutet psychische Widerstandsfähigkeit. Sie ist die Fähigkeit, Krisen und Rückschläge zu bewältigen und sie als Anlass für die eigene Weiterentwicklung zu nutzen. Das Gegenteil von Resilienz ist Verwundbarkeit (Vulnerabilität). Vulnerabilität be-deutet, dass jemand besonders leicht durch äussere Einflüsse seelisch zu verletzen ist. Vul-nerable Personen neigen besonders stark dazu, psychische Probleme oder Erkrankungen zu entwickeln. "Resilient" hingegen bedeutet widerstandsfähig zu sein, sich trotz schwerwie-genden Belastungen normal zu entwickeln, keine psychischen Störungen zu haben und ge-sund zu sein (Wustmann, 2012).

Die Voraussetzungen für Resilienz werden in den frühen Lebensphasen geschaffen. Dies hat die amerikanische Wissenschaftlerin Emmy Werner entdeckt, die als Pionierin der Resi-lienzforschung gilt. Sie untersuchte über vierzig Jahre hinweg rund 700 Kinder mit dem Jahr-gang 1955 auf der hawaiianischen Insel Kausai. Kinder, die in schwierigen Verhältnissen aufwuchsen, die durch chronische Armut, Arbeitslosigkeit, häusliche Gewalt, drogenkonsu-mierende oder psychisch labile Eltern geprägt waren. Ein Drittel dieser Kinder entwickelte sich trotz erschwerter Bedingungen zu lebenstüchtigen, kompetenten, verantwortungsvollen Erwachsenen mit guten Jobs. Werner bezeichnete sie als "verletzlich, aber unbesiegbar", als resilient. Die Schutzfaktoren, die dies ermöglichten, waren eine gute Beziehung zu min-destens einem Familienmitglied, eine unterstützende Umgebung und das Gefühl akzeptiert und respektiert zu werden. Sie zog daraus den Schluss, dass Resilienz erlernbar ist und sich im Laufe des Lebens weiter entwickeln lässt. 

Die Mannheimer Risikokinderstudie (Franz Petermann, 2018) zeigt, dass Belastungen der Partnerschaft der Eltern grosse Risikofaktoren für die Entwicklung einer psychischen Krank-heit der Kinder sind. Zu den Belastungen gehören: gestörte Partnerbeziehung, frühe Eltern-schaft, Ein-Eltern-Familien und unerwünschte Schwangerschaft. Die Studie zeigt jedoch auch, dass Resilienz im Alltag durch gezielte Förderung entwickelt und gestärkt werden kann. Kinder, die in belastenden Verhältnissen aufwachsen, brauchen mindestens eine stabile, verlässliche Bezugsperson, die Sicherheit, Vertrauen und Autonomie fördert, damit sie ein positives Rollenmodell haben. Ein weiterer Resilienzfaktor ist ein wertschätzendes und unterstützendes Klima in den Bildungsinstitutionen. Kinder brauchen individuell angemessene Leistungsanforderungen und die Erfahrung, etwas erreichen zu können. Oft können Bildungserfolge den Boden für eine bessere Zukunft bereiten und so die Widerstandsfähigkeit erhöhen. 

Einer der wichtigsten Aspekte zum Verständnis von Resilienz ist, zu akzeptieren, was wir verändern können und was nicht (Johnstone, 2015). Da die Qualität der Partnerbeziehung einen grossen Einfluss auf die Entwicklung der Kinder hat, stellt sich die Frage: Wie kann Resilienz in der Therapie und Paarberatung gefördert werden? Resilienz förderndes Handeln in der Therapie orientiert sich an folgenden Ansatzpunkten:

  • Familiäre Stärken und Ressourcen werden identifiziert und gezielt genutzt.
  • Betroffene werden als "handelnde" Personen und somit aktive GestalterIn ihrer Lebenssituation angenommen.
  • Die TherapeutIn versteht sich als "unterstützende, ressourcenaktivierende Person".

Resilienz ist kein abgeschlossener, endgültiger Prozess. Sie kann im Laufe des Lebens wei-terentwickelt und verbessert werden. Hilfreich für die Bewältigung der aktuellen Probleme sind oft ein Rückblick auf schwierige Lebenssituationen und Fragen nach bisherigen erfolg-reichen Bewältigungsstrategien: Wie konnten Sie diese Aufgabe, die über Ihre Kräfte ging, meistern? Wenn Sie an die Ereignisse von damals denken, was hilft Ihnen heute noch dabei, Krisen zu meistern?

Soziale Beziehungen zu haben gehört zu den wichtigsten Resilienzfaktoren. Nur schon in einer Partnerschaft zu sein erweist sich als Resilienzfaktor. Der Effekt ist noch stärker, wenn die Partnerschaft glücklich ist. Beziehungszufriedenheit als wichtiger Resilienzfaktor (Bo-denmann, 2018) korreliert mit:

  • höherer Lebenszufriedenheit
  • besserem psychischen Befinden
  • besserer somatischen Gesundheit
  • besserer Leistungsfähigkeit
  • einer günstigeren Entwicklung der Kinder

Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt in der Beratung bei Beziehungsproblemen und in der therapeutischen Begleitung im Prozess zu mehr Beziehungskompetenz. Eine Beziehung braucht ein regelmässiges Updating, damit der Kontakt nicht bröckelt und sich ein Paar ent-fremdet oder auseinanderlebt. Für Paare in der Familienphase mit kleinen Kindern ist die Beziehung oft belastet, weil zu wenig Zeit für die Pflege der Partnerschaft da ist. Oft argu-mentiert auch ein Elternteil, dass die wenige Zeit doch zugunsten der Kinder mit der ganzen Familie verbracht werden soll und nicht für die Zeit als Paar. Zur elterlichen Selbstfürsorge gehört es jedoch auch, "Kinderpausen" zu Gunsten von Zweisamkeit zu ermöglichen. Eltern brauchen dabei kein schlechtes Gewissen zu haben, denn Auszeiten reduzieren Stress und Anspannung. Partnerzeiten können genutzt werden, um schöne Stunden zu zweit zu verbringen oder um Erziehungs- und Partnerkonflikte in Ruhe zu klären. Ein Thema in den Paartherapien ist oft: Wie schaffen wir "Inseln für Zweisamkeit"? Wichtige Fragen dazu sind:

  • Was unternehmen wir in der Zweisamkeit?
  • Wo und bei wem kann unser Kind gut betreut werden?
  • Welche Ideen/Anliegen haben wir für die gemeinsame Zeit: Restaurantbesuch, Stadtbummel, Wanderung, Kino, mit Freunden ausgehen etc.?

Woran liegt es, dass sich das eine Paar weiterentwickelt, während es bei einem anderen zur Trennung oder Scheidung kommt? Es gibt doch eine grössere Anzahl von Paaren, die trotz Krisen, Alltagsbelastungen und Routine nach langjähriger Ehe noch zusammen sind und sich dabei wohl fühlen. Welches sind Resilienzfaktoren bei Langzeitpartnerschaften? Die Paarforschung sagt Liebe, Positivität und gemeinsame Bewältigung der Herausforderungen des Alltags. Eine Schweizer Studie (Perrig-Chiello, 2017) mit Paaren, die mindestens 30 Jahre verheiratet sind, zeigt, dass für sie Folgendes eine gute Beziehung ausmacht:

  • Gegenseitiger Respekt und Wertschätzung
  • Das Beste im Partner fördern (Michelangelo-Phänomen)
  • Vertrauen und Treue
  • Dyadisches Coping (Anforderungen gemeinsam bewältigen)

Eine andere Studie (Bachan & Caron, 2001) zeigt folgende Prädiktoren für langzeitlich glück-liche Paare mit mittlerer Ehedauer: Freundschaft/Verbundenheit, Liebe, Commitment und ähnliche Interessen haben. Mit Commitment ist ein Engagement für die Beziehung, ein sich verbindlich zeigen gemeint, im Sinne von: Ich möchte mit dir zusammen sein.

Literatur:
Johnstone, M. (2015). Resilienz. Wie man Krisen übersteht und daran wächst.