von Suzanne Hüttenmoser

Partnerschaft – Was uns zusammenhält

Es wird die schöne Geschichte des glücklichen Paares Philemon und Baucis erzählt, das in ärmlichen Verhältnissen lebend eines Tages - ohne sie zu erkennen - die Götter Zeus und Hermes bewirteten. Als Dank für ihre Gastfreundschaft und Grosszügigkeit verwandelten die Götter die karge Hütte in einen goldenen Tempel und gewährten dem Paar ihren Herzenswunsch: sich nie trennen zu müssen, auch im Tod nicht. Als ihre Zeit gekommen ist, hielten die Götter Wort und verwandelten das Paar in zwei Bäume. Philemon wurde zu einer Eiche und Baucis zu einer Linde. Im Tod stehen sie nun so eng beieinander, wie sie im Leben unzertrennlich waren.

Wer wünschte sich das nicht, mit einem Partner lange Jahre glücklich bis ins hohe Alter zu leben? Der Traum von lebenslang glücklichen Beziehungen wird weltweit geträumt. Doch in der Realität ist es vielen Paaren nicht vergönnt, was Philemon und Baucis gelang. Eine grosse Anzahl von Partnerschaften endet heute bevor der Tod sie scheidet. Daher interessiert sich die Paarforschung dafür, was langfristig stabile Beziehungen von jenen unterscheidet, die sich trennen. Welche Ressourcen stärken die Liebe und welche Kräfte schützen ein Paar in Krisen?

In einer deutschen Längsschnittstudie (Schneewind, 2003) wurden ca. 600 in erster Ehe verheiratete Paare danach befragt, was ihre Ehe zusammenhält. Ganz oben auf der Liste steht Toleranz (32 Prozent). Den Anderen so sein lassen können, wie er/sie ist, einander mit Achtung und Verständnis gegenübertreten und auch die Schwächen akzeptieren können. An zweiter Stelle wurde ehrlich miteinander sein, also die Werte Vertrauen, Offenheit und Ehrlichkeit (30 Prozent) genannt. Liebe wurde von rund 28 Prozent aller Befragten genannt und damit insgesamt am dritthäufigsten. Als wichtige Wirkfaktoren wurden dann sich austauschen, Konflikte konstruktiv lösen und Kompromisse finden (25 Prozent), gemeinsame Interessen und Freunde (20 Prozent) sowie gegenseitige Unterstützung (19 Prozent), also gemeinsam durch dick und dünn gehen genannt. Auch die persönliche Entwicklung in der Partnerschaft, sich selbst verwirklichen können und einander Freiräume lassen (14 Prozent) zählt zu den Faktoren, die eine Ehe zusammenhalten. Treue ist mit 13 Prozent ebenfalls wichtig. Interessant ist, dass Zärtlichkeit und eine zufriedenstellende Sexualität (4 Prozent) in dieser Liste erst an letzter Stelle auftaucht.

Eine neue Längsschnitt-Studie Pairfam, die Liebesbeziehungen untersucht, wird aktuell in Deutschland mit rund 12000 Testpersonen durchgeführt, die jährlich seit 2008 bis ins Jahr 2020 befragt werden sollen. Am Ende dieser Studie können die Forscher/-innen dann differenzierte Antworten liefern auf die Frage, was Partnerschaften zusammenhält. Doch bis die Endergebnisse vorliegen, müssen wir uns noch eine Weile gedulden. Halten wir uns an die ersten Auswertungen der Daten aus der Pairfam-Studie von 2008, so bestätigen diese die Prioritätensetzung bezüglich der sexuellen Zufriedenheit der obigen Liste. Sexuelle Zufriedenheit und die allgemeine Beziehungszufriedenheit hängen nur zu knapp zwanzig Prozent zusammen. Vierfünftel der Zufriedenheitsfaktoren eines Paares liegen demnach ausserhalb des Schlafzimmers. 
Rund neunzig Prozent der Frauen wie Männer wünschen sich Treue als zentrale Grundlage ihrer Beziehung. Und wie steht es in der Realität um die Treue? Knapp vier Prozent der Befragten bekennen sich in der Pairfam-Studie zu einer Affäre in den vergangenen zwölf Monaten. Ob die Untreue mit einer Unzufriedenheit in der Hauptbeziehung zusammenhängt, kann die Studie bis jetzt nicht beantworten.

Die Daten von anderen Studien der Paarforschung lassen vermuten, dass Seitensprünge erstaunlich wenig mit dem Liebesglück in der Partnerschaft zusammenhängen. Ob zufrieden oder nicht – Seitensprünge kommen vor. Guy Bodenmann (psychoscope 7/2010) meint, dass immer mehr rein sexuell motivierte Affären bei beiden Geschlechtern vorkommen. Personen mit einem starken Sexualtrieb, liberalen Überzeugungen und einer schwachen Impulskontrolle haben ein erhöhtes Risiko. Das Risiko zur Untreue wird durch eine Unzufriedenheit in der Partnerschaft erhöht, doch insgesamt korreliert Untreue nicht hoch mit der Qualität der aktuellen Beziehung. 
Das Aufdecken eines Seitensprunges löst meistens eine grosse Krise in der Partnerschaft aus. Viele Paare melden sich aus diesem Grund für eine Paarberatung an. Wie kann ein Paar eine Aussenbeziehung verkraften? Woran liegt es, dass sich das eine Paar weiterentwickelt, während es bei einem anderen zur Trennung oder Scheidung kommt? Welche Faktoren geben einer Beziehung die Widerstandskraft, die dafür nötig ist? Die Antwort aus der Paarforschung ist die Bereitschaft, zu vergeben (Forgiveness). Es geht nicht um ein leichtfertiges Vergeben und Vergessen, sondern im Gegenteil um die bewusste Entscheidung, etwas zu überwinden. Die Forscher/-innen verstehen unter Forgiveness einen aktiven inneren Prozess, der sich allein im Verzeihenden abspielt. Die Forschung zu diesem Thema ist noch jung. Trotzdem ist klar dokumentiert, dass die Bereitschaft, zu vergeben einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität von Beziehungen hat.

Zu hohe Erwartungen an eine Partnerschaft werden regelmässig enttäuscht. Partner und Partnerinnen sind auch nur Menschen, was bedeutet, dass sie Fehler machen, nicht immer zugänglich sind und auch ihre Macken haben. Wer von einer Zweisamkeit alles erwartet: Vertrautheit, leidenschaftlichen Sex, romantische Gefühle, Freundschaft mit tiefgehenden Gesprächen und Gerechtigkeit, kann nur enttäuscht werden. Wenn auch das Wort Realismus im Zusammenhang mit Liebe wie eine kalte Dusche wirkt, ist das Wissen darum, dass Liebe nie ideal sein kann, ein wichtiger Faktor für eine gelingende Beziehung. Ob zwischen zwei Menschen eine verlässliche Bindung zustande kommt oder nicht, hängt nicht mit dem Ausmass der anfänglichen Verliebtheit zusammen. Das erklärt auch, warum in Ländern mit arrangierten Ehen die spätere Beziehungszufriedenheit nicht geringer ist als in Gesellschaften mit dem Ideal der Liebesheirat.

Aber wie können wie lernen, mit dem zufrieden zu sein, was wir haben? Wie können wir unsere hohen Erwartungen herunterschrauben und mit Vernunft und weniger romantischen Vorstellungen unsere Partnerschaften gestalten? Der amerikanische Psychologieprofessor Barry Schwartz (2004) meint, dass es Sinn macht, unsere Entscheidung für einen Mann oder eine Frau durch Entscheidungen zweiter Ordnung abzusichern. Eine Entscheidung zweiter Ordnung ist die Entscheidung eine Regel zu befolgen. Zum Beispiel haben fast alle Autofahrer/-innen für sich die Regel akzeptiert: „Im Auto schnalle ich mich immer an“. Dieser Regel folgen erspart seither die tägliche Frage, ob ich mich anschnallen soll oder nicht? Eine mögliche und beziehungsfreundliche Regel könnte lauten: Wenn meine Partnerschaft in wichtigen Bereichen meinen eigenen Kriterien entspricht, muss ich mich nicht immer wieder fragen, ob sie auch wirklich die beste Beziehung ist, die ich bekommen kann. Wer eigene bewusste Regeln für die Partnerschaft hat, muss seine Beziehung zum Partner, zur Partnerin nicht immer wieder in Frage stellen. Schwartz meint, dass wir den Kopf und das Herz frei bekommen und damit die Energie für andere Themen einsetzen können, wenn wir akzeptieren, dass die Liebe im Alltag immer wieder auf die Probe gestellt wird.

Weiterführende Literatur für Interessierte:

  • Kathrin Wiederkehr (2005): Lieben ist schöner als siegen. Verrat und Versöhnung bei Paaren
  • Barry Schwartz (2004): Anleitungen zur Unzufriedenheit. Warum weniger glücklicher macht.

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