von Suzanne Hüttenmoser

Kommunikation in der Partnerschaft

Die Mehrheit der Paare, die zu mir in die Beratung kommen, erklären, dass ihr Hauptproblem in der Kommunikation liege. Sie können nicht miteinander über ihre Schwierigkeiten reden. In jeder Beziehung ist es eine der grössten Herausforderungen, einen Umgang zu finden mit Differenzen und Meinungsverschiedenheiten. Manchmal entwickelt sich aus einer Meinungsverschiedenheit heraus ein plötzlicher Streit und aus dem Streit wird ein Kampf. Plötzlich spricht das Paar nicht mehr liebevoll miteinander und fängt an, sich gegenseitig zu verletzen. Sie machen sich gegenseitig Vorwürfe, klagen sich an, stellen Forderungen, weisen einander zurück und vertrauen einander nicht mehr. In diesen hoch geladenen Konfliktsituationen werden dann auch oft Sätze ausgesprochen, die tief verletzen und beim anderen noch lange nachwirken.

Es sind nicht die Meinungsverschiedenheiten, die verletzend wirken, sondern die Art und Weise, wie sie ausgetragen werden. Einige Klienten und Klientinnen betonen, dass sie sich sehr gut mit anderen Menschen verständigen können, auch über Schwieriges. Nur mit ihren Partnern können sie die Probleme nicht besprechen, und das interpretieren sie so, dass es nur an ihm oder an ihr liegen kann. Der Beziehungsforscher G. Bodenmann zeigt auf, dass verheiratete Paare bei Konflikten signifikant negativer miteinander umgehen als mit Fremden. In seinen Untersuchungen zeigt sich der Befund, dass sie doppelt so häufig Negatives ausdrücken und ein Drittel weniger Positives im Vergleich zu unverheirateten Paaren. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der amerikanische Paarforscher J.M. Gottman aufgrund seiner aufwendigen Analyse von Dialogen. Er zeigt auf, dass er mit grosser Wahrscheinlichkeit vorhersagen kann, ob ein Paar in zwei Jahren noch zusammenlebt oder bereits getrennt sein wird. Seine Prognose stützt er auf die Beobachtung von Konfliktgesprächen zwischen Mann und Frau anhand von Videoaufnahmen. Es ist weder der Inhalt des Gesprächs noch die negativen Äusserungen oder der Ausdruck von Ärger, die für ihn den Ausschlag geben. Entscheidend ist für ihn die Anzahl positiver, aufwertender Äusserungen. Diese Anzahl sollte grösser sein als die Anzahl negativer Äusserungen, am besten fünfmal so gross. Das heisst, ein Paar darf durchaus Ärger zeigen oder andere Gefühle, die negativ ankommen können. Es braucht aber gleichzeitig auch viel Positives, Aufbauendes, Wohltuendes und Humorvolles, wenn die Chancen für die Zukunft der Beziehung gut stehen sollen. Nun stellt sich die Frage, wie es einem Paar gelingt, sich aufbauend zu verhalten und zu äussern. Welche Art der Kommunikation brauchen zwei Menschen, damit die Liebe bleibt?

Eine zentrale Komponente für das Gelingen der Kommunikation ist Interesse zeigen zu können. Mit Interesse ist eine Haltung gemeint, die mit Offenheit und Zugewandtheit zu einem Gegenüber einhergeht. Interesse ist von Neugier und Lust auf Anderes und Neues begleitet. Dies schafft eine Basis für die Beziehung und ist eine Vorraussetzung für das Gelingen einer langfristigen Beziehung. Mit Interesse ist es möglich, sich immer wieder neu auf das Gegenüber einzulassen, neue Seiten zu entdecken und kennen zu lernen, sich bei Meinungsverschiedenheiten für die Perspektive und die Gründe des Anderen zu interessieren. Damit ich dem Partner ohne Vorurteile begegnen kann, braucht es immer wieder Offenheit und die Bereitschaft, mich selber und meine Projektionen zu hinterfragen.

Eine weitere wichtige Komponente für gelingende Kommunikation ist einfühlend zuhören zu können, damit die Absicht und das innere Erleben des Gegenübers erfasst werden kann. Erst dadurch, dass der Partner oder die Partnerin wirklich mit Präsenz und Einfühlung zuhört, kommt die Kommunikation zustande. Es fällt uns immer wieder schwer, einigermassen objektiv aufzunehmen. Hinhören ist eine besondere Kunst. Zuhören heisst zunächst während einer Phase nicht selbst zu sprechen, nicht zu unterbrechen, sondern ausreden zu lassen. Um Missverständnisse zu klären, hilft es, wenn wir nur kleinere Sequenzen aufnehmen müssen und dem Anderen zwischendurch spiegeln können, was wir gehört haben. Spiegeln bedeutet das Gehörte zu wiederholen oder in eigenen Worten zu umschreiben. Dies schafft eine Basis von Vertrauen. In den Beratungen höre ich ab und zu, dass ein Paar überrascht ist, wenn sie in der Gegenwart der Therapeutin plötzlich miteinander reden können, dass der Partner zuhört und nicht unterbricht oder sogar wegläuft.

Gute Kommunikation ist ein Geben und Nehmen. Dies bedingt, dass neben dem Zuhören sie und er bereit sind, den Anderen an der eigenen Welt teilnehmen zu lassen. Die eigene Kommunikation muss offen, eindeutig und fair sein. Dies zeigt sich darin, dass innere Vorgänge wie Wünsche, Bedürfnisse, Träume und Gefühle wie z. B. Ärger, Ängste oder Zuneigung, direkt angesprochen werden, statt sie hinter Schweigen oder vagen Andeutungen zu verbergen. Unklare Mitteilungen schaden mehr als sie nützen. Es braucht als Ich-Botschaften formulierte eindeutige Aussagen, mit dem Versuch, immer wieder Wünsche statt Vorwürfe zu formulieren. Der Empfänger soll zurückfragen, wenn er nicht sicher ist, ob er die Botschaft verstanden hat. Wenn beide Partner ebenso offen, wertschätzend und gefühlsnah reden über das, was sie bewegt, dann haben wir ein Gespräch, einen Austausch zwischen Mann und Frau, bei dem sie sich mehr und mehr verstehen anstatt sich zu entfernen. In der Paarberatung besteht die Möglichkeit, die Grundregeln einer gelingenden Kommunikation zu lernen und zu trainieren, so dass eine Umsetzung im Alltag möglich wird.

Es scheint mir sehr wichtig zu sein, dass sich ein Paar immer wieder Inseln schafft, wo Zeit und Raum zur Verfügung steht, um einander wirklich zuhören zu können und sich zu öffnen. Ort und Zeitpunkt sind wichtig für ein gelingendes Gespräch. Ich höre immer wieder von ungünstigen Gesprächssituationen, zum Beispiel spricht einer der Partner erst spät am Abend ein wichtiges Thema an, wenn das Gegenüber schon müde ist, schlafen möchte und nicht mehr die nötige Präsenz zum Zuhören hat. Oder ein Gespräch findet zwischen Tür und Angel statt, in einem gestressten Moment, in dem keine Chance für einen ausführlichen Austausch besteht. Einige Paare sagen, dass sie wegen der ständigen Gegenwart ihrer Kinder gar keine Zeit zum Reden finden. Hier gilt es nach kreativen Lösungen zu suchen: zum Beispiel einen halbstündigen Spaziergang zu machen und sogenannte „Einweggespräche“ zu führen. Dies bedeutet, dass auf dem Hinweg nur ein Partner reden darf, der Andere hört zu, auf dem Rückweg werden die Rollen getauscht. Dies ist eine gute Möglichkeit, das Zuhören zu trainieren. In einer Zeit voller Lärm und Aktivität braucht es Disziplin, Mut und Reife, sich immer wieder von den Alltagsanforderungen und den vordergründigen Verpflichtungen zu distanzieren, um sich mit dem Partner oder der Partnerin verständigen zu können.

 

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